Schon die Anreise nach Deventer hat etwas Besonderes. Vom kostenlosen Parkplatz „Worp“ am gegenüberliegenden Ufer der Ijssel nähern wir uns der Stadt nicht mit dem Auto oder zu Fuß, sondern mit der kleinen Fußgängerfähre, die gemächlich über den Fluss gleitet. Es ist ein stiller, fast poetischer Moment, wenn sich das Panorama der Altstadt mit ihren Backsteingiebeln, Kirchtürmen und der markanten Skyline langsam vor einem entfaltet. Wenige Minuten nur, aber genug Zeit, um sich auf das Tempo der Stadt einzulassen: entspannt, charmant und mit viel Geschichte in den Mauern.
Geschichte unter Glas und Eisen: der Buttermarkt
Am Butter‑ oder Botermarkt begegnet man einem stillen Denkmal der Stadtgeschichte: Die elegante, 1899 errichtete Halle aus Holz, Glas und filigranen Eisensäulen war einst Mittelpunkt eines bäuerlichen Handelsplatzes. Hier wurde Butter verkauft, dekoriert mit Fass-Motiven in der Ziergiebel.
Doch schon vor dem Ersten Weltkrieg endete der Markt, und nach dem verheerenden Bombenangriff 1944 blieb nur noch ein halbes Gebäude – die rechte Flügelhälfte wurde nicht wieder aufgebaut. Heute erinnert der verblasste Überrest mit der lateinischen Inschrift „FIDE SED QUI VIDE“ daran: „Vertraue – aber wachsam“ – und erzählt von Wandel und Verlust.
Heute ist von der ursprünglichen Vitalität des Buttermarktes nur noch wenig zu erkennen – die markante Halle dient inzwischen als Fahrradunterstand, meist für Besucher des nahegelegenen Theaters oder der Innenstadt.
Altstadtflair & Architektur – Spaziergang durch Deventers Gassen
Schon beim Verlassen des Marktplatzes De Brink, einem der größten mittelalterlichen Handelsplätze der nordholländischen Hanse, führen die schmalen Gassen hinauf ins zauberhafte Bergkwartier – das charmante Herz der Altstadt. Hier, zwischen Menstraat, Walstraat und Bergstraat, reihen sich restaurierte Backsteinhäuser des 17. und 18. Jahrhunderts – mit kunstvollen Fassaden, kräftigen Fensterläden und floralen Details, die der Stadt einen bunten, lebendigen Charakter verleihen.
Charles Dickens Kabinett – Das Museum
Während unseres Spaziergangs durch die Walstraat entdeckten wir das Charles Dickens-Kabinett, eine charmant kuratierte Ausstellung in einem ehemaligen Frauengefängnis. Die Sammlung von Emmy Strik vereint historische Kostüme, seltene Bücher und Tischarrangements – eine eindrucksvolle Hommage an Dickens und seine Werke.
Das Museum ergänzt das berühmte Dickens Festijn: Ein Adventwochenende, an dem die Altstadt mit über 950 verkleideten Figuren zur lebenden Bühne für Dickens’ Romane wird – kostenlos, mit gewaltiger Atmosphäre, Straßenaktionen aus „Oliver Twist“, „Scrooge“ & Co. und passendem viktorianischen Humor.
Deventer: Geschichte trifft Gegenwart
Mitten im historischen Stadtkern von Deventer befindet sich in der kleinen Gasse Treurnietsgang ein faszinierendes Wandbild (auch Mural genannt), das von der Künstlergruppe De Strakke Hand gestaltet wurde. Es zeigt eine Marktszene aus der Hansezeit – mit liebevoll gezeichneten Details wie Stockfisch, Deventer Koek und Kopfsteinpflaster, aber auch einem überraschenden modernen Akzent: ein Junge mit einem Schal des Fußballvereins Go Ahead Eagles.
Diese Verschmelzung von Vergangenheit und Gegenwart macht das Mural zu einem Symbol für Deventers lebendige Identität – traditionsreich, aber mit Blick in die Gegenwart.
Fazit: Ein Tag in Deventer
Deventer hat uns mit seiner Mischung aus Geschichte, Charme und Lebendigkeit vollkommen verzaubert. Die Ankunft mit der Fähre über die Ijssel, die blühenden Gassen im Bergkwartier, der geheimnisvolle Buttermarkt und das stimmungsvolle Dickens-Kabinett – all das macht die Stadt zu einem Ort, an den man sofort zurückkehren möchte. Wer Lust auf eine malerische Altstadt, überraschende Geschichten und entspanntes Entdecken hat, sollte Deventer unbedingt auf die Reiseliste setzen.